Dachau – Seit Valentino die Grund- und Mittelschule in Hebertshausen besucht, ist er glücklich. Der 13-jährige ist Autist und die Förderschule war nicht der richtige Ort für ihn. Hier wäre er früher oder später auf eine Tätigkeit in der Behindertenwerkstatt vorbereitet worden. Dank des Engagements des Vereins „Kunterbunte Inklusion“ gelingt seine schulische Inklusion. Damit eröffnet sich für Valentino auch die Chance auf eine berufliche Zukunft auf dem ersten Arbeitsmarkt.
Am Deutschen Diversity-Tag nutzten die Vereinsvorständinnen Tanja Patti und Agnieszka Dinnebier mit Gründungsmitglied Tina Bäßler die Gelegenheit, über die Arbeit des 2019 gegründeten Vereins zu informieren. Anlass war die Foto-Ausstellung, mit der sich der Verein zwei Wochen lang in der Hauptstelle der Volksbank Raiffeisenbank Dachau eG präsentierte. 20 Fotos zeigen Kinder und Jugendliche mit und ohne Beeinträchtigung oder Behinderung in ihrem Traumberuf. Die Fotos wurden vor drei Jahren anlässlich eines Aktionstages gemacht. Strahlende Gesichter als Koch, Kranführer, Supermarkt-Mitarbeiterin oder Tierpflegerin. „Auch junge Menschen mit Beeinträchtigung haben Berufswünsche. Die Förderschule bietet nur die Perspektive auf die Behindertenwerkstätte. Das möchten wir nicht“, sagt die erste Vorsitzende Tanja Patti.
Der Verein „Kunterbunte Inklusion“ trägt dazu bei, ein gesellschaftliches Bewusstsein zu schaffen, damit sich Türen für einen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt öffnen. Der eingetragene Verein ist mittlerweile auf 70 Mitglieder gewachsen. Zu den Mitgliedern gehören Eltern aus Dachau, München und ganz Bayern, die selbst betroffen sind, und Inklusion in allen gesellschaftlichen Bereichen fordern. Dank eines starken Netzwerkes mit vielen Kontakten, Hartnäckigkeit gegenüber Behörden, viel Optimismus und Menschenkenntnis gelingt den Vereinsmitgliedern, was vielen betroffenen Eltern als eine unüberwindbare Hürde erscheint: die Inklusion ihres beeinträchtigten oder behinderten Kindes in die Schul- und Arbeitswelt und damit auch in die Gesellschaft. Viele betroffene Eltern wissen nicht, welche Möglichkeiten es gibt. Tina Bäßler betont: „Mit einem Verein spricht man anders als mit einer einzelnen Mutter.“
Einem autistischen Mädchen ist der Übertritt in den Beruf gelungen. Die 17-jährige Schülerin beginnt im September eine Ausbildung zur Fachpraktikerin für Pferdewirt und besucht die Berufsschule. Für sie hat sich eine neue Welt eröffnet. Laut Tina Bäßler ist das ein großer Erfolg, weil diese Ausbildung für Menschen mit Behinderung in Bayern bislang nicht möglich war. Langsam weichen die Grenzen auf. Im Kindergarten gehört Inklusion mittlerweile zum Alltag. „Jüngere Kinder haben keine Vorurteile. Die kommen erst später, meistens durch die Eltern“, sagt Agnieszka Dinnebier. Aber auch Schulämter und Lehrer reagieren zunehmend positiv auf den Wunsch der Eltern, ihr behindertes Kind in eine Regelschule zu schicken, obwohl es für die Schulen dafür keinen Anreiz gibt. „Im Kindergarten zählt so ein Kind laut Betreuungsschlüssel wie vier Kinder. In der Schule ist das nicht der Fall“, berichtet Agnieszka Dinnebier. Inklusion ist dort nur möglich, wenn einem Schüler mit Behinderung oder Beeinträchtigung ein externer Schulbegleiter zur Seite gestellt wird, der den ganzen Schultag mit dem Schüler verbringt.
Durch Vorurteile und gesetzliche Hürden werden immer noch Grenzen gesetzt, die es laut der UN-Behindertenrechtskonvention gar nicht geben dürfte. Doch die Vereinsmitglieder sind zuversichtlich. Viele deutsche Unternehmen haben Diversität bereits in ihre Unternehmensziele aufgenommen. In Augsburg gibt es beispielsweise ein Inklusionshotel, das auch Menschen mit Beeinträchtigung beschäftigt. Je früher die Inklusion beginnt, umso schneller fallen auch in den Köpfen die Barrieren. „Unser Verein steht für Diversität, also die Verschiedenheit, die es auch im Berufsleben gibt und die unsere Gesellschaft bereichert“, sagt Tanja Patti. Tina Bäßler ergänzt: „Inklusion ist, wenn man nicht mehr drüber spricht.“
Wer Hilfe sucht, kann sich beim Verein "Kunterbunte Inklusion"
melden unter: info@kunterbunte-inklusion.de
Infos unter: www.kunterbunte-inklusion.de